OVG Magdeburg zum Informationsfreiheitsgesetz:
„Limbach-Kommission“ muss keine Akteneinsicht gewähren

Mit Beschluss vom 27. März 2017 (3 L 115/15) hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt die Klage eines Rechtsanwalts auf Einsicht in die Unterlagen der „Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter“ (auch „Limbach-Kommission“) zum Fall der Plakatsammlung Sachs in zweiter Instanz zurückgewiesen.

Das Gericht begründete den Beschluss damit, dass die Kommission nicht unter das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) falle, denn sie sei keine Behörde oder sonstiges Organ oder Einrichtung des Bundes (§ 1 IFG). Ihre Tätigkeit sei nicht Teil der Exekutive des Bundes, „sondern als sonstige unabhängige Tätigkeit anzusehen“. Anders als Institutionen der Exekutive sei die Kommission bei ihren Empfehlungen nicht an Normen gebunden, sondern nur dem Ziel verpflichtet, „faire und gerechte Lösungen“ im Sinne der Washingtoner Prinzipien zu NS-Raubkunst von 1998 zu befördern. Sie könne ausweislich der im November 2016 verabschiedeten Verfahrensordnung „auch moralisch-ethisch“ begründete Empfehlungen abgeben. Die Kommission werde anders als Institutionen der Exekutive nicht im gesetzlichen Auftrag tätig. Maßgeblich sei auch: Die Kommission werde nicht in erster Linie im Interesse der öffentlichen Hand tätig, sondern in erster Linie im Interesse der Parteien, die die Kommission bei Streit um mögliche NS-Raubkunst als Mediatorin anriefen. Selbst wenn das IFG anwendbar wäre – so das Gericht weiter – könnte sich die Kommission auf das behördliche Beratungsgeheimnis (§ 3 Nr. 3 b) IFG) berufen und auch darum zurecht die Akteneinsicht verweigern. Der Fall sei zwar schon lange abgeschlossen, aber trotzdem könne die Preisgabe der Akten noch heute die Unbefangenheit der Beratungen der Kommision beeinträchtigen.

Der Fall geht darauf zurück, dass das Deutsche Reich dem jüdischen Arzt Hans Sachs 1938 eine Plakatsammlung weggenommen hatte. 2005 verlangte sein Sohn vom Deutschen Historischen Museum (DHM) die Sammlung heraus. Der Sohn und das DHM riefen die Beratende Kommission als Mediatorin an und baten sie schließlich um eine Empfehlung zur Entscheidung des Streits. Die Kommission sprach sich 2007 gegen die Restitution der Sammlung aus.

Der Kläger ist der damalige Rechtsanwalt des Sammler-Erben. Sein Interesse an der 2013 beantragten Akteneinsicht begründete er laut Beschlusstext so: Es habe während des zu Ungunsten seines Mandanten ausgegangenen Verfahrens vor der Kommission einen „intensiven Informationsaustausch“ zwischen dem DHM, der Magdeburger Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste (heute Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste) und dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien gegeben. Es seien auch Rechtsgutachten in Auftrag gegeben worden. In diesen sei es auch um die politischen Auswirkungen des Streits um die Plakate gegangen. Aus dem Beschluss ist nicht ersichtlich, dass die Kommission diese Behauptungen bestritten hätte. Seinem damaligen Mandanten und der Öffentlichkeit seien im Laufe des Verfahrens wichtige Informationen nicht bekanntgemacht worden.

Aus Sicht des Informations- und des Verfassungsrechts wird es interessant sein, ob es tatsächlich Institutionen des Bundes gibt, die weder Teil der Exekutive noch der Judikative oder der Legislative sind, wie das OVG meint. Aus restitutionsrechtlicher Sicht bedeutsam ist die Frage nach den Maßstäben, die für die Empfehlungen der Kommission gelten. Schon in der Entscheidung „Behrens ./. Düsseldorf“ aus dem Jahr 2015 hat sich Kommission nämlich von  den Maßstäben der „Handreichung“ des Bundes, der Länder und kommunalen Spitzenverbänden zu NS-Raubkunst distanziert. Sie hat dort die für die Erben von NS-Verfolgten günstige Beweislastverteilung, die in der Handreichung empfohlen wird, nicht angewendet.  Aus diesem Grund hat sie sich gegen die Restitution eines Gemäldes von Menzel ausgesprochen. Die den NS-Verfolgten in der Handreichung zugesprochene Beweiserleichterung beruht auf der empfohlenen Anwendung von Art. 3 der Berliner Rückersattungsanordnung von 1949. Im November 2016 hat die Kommission in ihrer Verfahrensordnung die Maßstäbe festgelegt, nach denen sie sich bei ihren Empfehlungen richten wolle. Hier stellt sich die Frage, ob es der Kommission zusteht, die eigenen materiellen Entscheidungsmaßstäbe festzulegen, während sie nach ihrem Gründungsstatut nur dazu berechtigt ist, sich eine Verfahrensordnung zu geben. Als Empfehlungsmaßstäbe gelten u.a. die Washingtoner Prinzipien und die „Handreichung“ (§ 6) aber auch (§ 1) „moralisch-ethische“ Erwägungen. Hierin besteht ein Ansatzpunkt, um von den von „der Politik“ in der Handreichung festgelegten Maßstäben, die für die Erben günstig sind, eigenmächtig abzuweichen. In dem im OVG-Beschluss wiedergegebenen Vortrag der Kommission wird betont, Rechtsnormen stellten keine verbindliche Grundlage für die Entscheidungen der Beratenden Kommission dar. Das lässt befürchten, dass sich die Kommission auch bei künftigen Gelegenheiten nicht an Art. 3 der Berliner Rückerstattungsanordnung halten wird.

Politisch interessant wird sein, ob es nun Anfragen nach dem IFG an die Beauftragte für Kultur und Medien zur Freigabe der dort mit der Kommission zum Fall Sachs geführten Korrespondenz gibt. Hier wird man schwerlich behaupten können, die Behörde sei nicht Teil der Exekutive des Bundes. Da sie an den Beratungen der Kommission nicht teilnehmen (sollte), gibt es auch kein schützenswertes Beratungsgeheimnis, das nach Ansicht des OVG der Begründetheit der Berufung entgegenstehen könnte. Entsprechende Anfragen könnten auch an das DHM gerichtet werden. Der Beschluss des OVG fällt in die von Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angestoßene Diskussion über eine weitgehende Reform der Beratenden Kommission. Parzinger hatte in einer Grundsatzrede im November 2015 u. a. für alle mit NS-Raubkunstfragen befassten Institutionen „maximale Transparenz“ gefordert und eine ganze Reihe von Reformmaßnahmen vorgeschlagen. Diesen Vorschlägen sind Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände im November 2016 teilweise gefolgt, haben sich aber in zum Missfallen der Conference on Jewish Material Claims against Germany  in weiten Teilen auch gegen seine Vorschläge entschieden.