BVerwG zum völkerrechtlichen Eigentumsschutz bei Enteignungen aus Besatzungszeit

 

In einem am 16. Februar 2017 veröffentlichten Beschluss vom 21. Dezember (8 B 8/16) hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts eine Beschwerde der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) – früher Treuhandanstalt – zurückgewiesen. Die Beschwerde hatte sich gegen die Nichtzulassung der Revision eines Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. April 2015 (29 K 57/11) gerichtet. In dem erfolglos angegriffenen Urteil hatte das Berliner Gericht einer niederländischen Gesellschaft Entschädigungsansprüche in Höhe von rund 735.000 EUR und dazu gut 50% Zinsen zugesprochen. Hintergrund war eine Schädigung der niederländischen Gesellschaft durch die Enteignung des Vermögens von deren deutscher Tochtergesellschaft im Jahre 1949 in Ost-Berlin und der sowjetischen Besatzungszone. Da nach Völkerrecht und Besatzungsrecht die entschädigungslose Enteignung von Ausländern verboten war, führte diese Schädigung zu einem völkerrechtlich begründeten Entschädigungsanspruch.

Zwischen 1972 und 1990 verhandelten verhandelten die DDR und zahlreiche westliche Staaten über die Höhe solcher Entschädigungsansprüche. Die Verhandlungen mit den Niederlanden blieben ohne Ergebnis, ebenso wie etwa die mit den USA, der Schweiz und Luxemburg. Mit einigen Ländern, darunter Österreich und Schweden, hatte die DDR die Verhandlungen Ende der 80er Jahre zum Abschluss gebracht und Globalentschädigungsabkommen geschlossen. Fragen zum Abkommen mit Schweden beschäftigen die Gerichte noch heute immer wieder (etwa BVerwG 8 B 21/16).

Erst 2003 erließ der Bund eine Norm, die das das Ziel hatte, Art und Höhe der Entschädigungsansprüche aus der Besatzungszeit zu bestimmen und zu regeln, wer sie zahlen muss, § 1 Abs. 2 Satz 2 DDR-Entschädigungserfüllungsgesetz (DDR-EErfG). Während derartige Ansprüche jedenfalls bis 1990 nur durch die Heimatstaaten der geschädigten Ausländer im Rahmen der Gewährung diplomatischen Schutzes geltend gemacht werden konnten, konnten sie  ihre Ansprüche nun selbst geltend machen. Allerdings waren sie damit ausgeschlossen, wenn sie sie nicht innerhalb eines halben Jahres ab Verkündung des Gesetzes anmeldeten. Sechs Jahre nach der Anmeldung sprach das Land Berlin der niederländischen Gesellschaft rund 220.000 EUR zu und verpflichtete die BvS sowie eine ostdeutsche Stadt zur Zahlung. Alle Betroffenen klagten gegen den Bescheid. Die niederländische Gesellschaft klagte auf eine höhere Entschädigung, die Stadt und die BvS klagten mit dem Ziel, nichts zahlen müssen. Weitere fünf Jahre später war die niederländische Gesellschaft beim Verwaltungsgericht Berlin erfolgreich, ebenso die Stadt, die 1990 Eigentümerin einiger der 1949 enteigneten Flächen geworden war. Nur die BvS sollte zahlen. Das Berliner Urteil ist mit der Zurückweisung der Beschwerde der BvS im Dezember 2016 rechtskräftig geworden. Damit sind eine Reihe von Fragen, die zum völkerrechtlichen Eigentumsschutz gehören, geklärt worden, manche offen geblieben.

Die BvS warf in der Beschwerde die Frage auf, welche Rolle die Verhandlungsposition spiele, die die DDR in den völkerrechtlichen Verhandlungen mit den Niederlanden eingenommen hatte. Die DDR hatte nämlich wegen der Enteignung der deutschen Tochtergesellschaft zunächst eine Entschädigung errechnet, dann aber eine Zahlung abgelehnt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage wegen Besonderheiten des Einzelfalls nicht geprüft. Wie es sich in ähnlichen Fällen (ohne diese Besonderheiten) entscheiden würde, bleibt offen.

Geklärt hat das Bundesverwaltungsgericht eine Frage der BvS zur Höhe der Entschädigung: Die BvS argumentierte, die Entschädigung sei in Mark der DDR zu berechnen und dann im Verhältnis 2:1 in DM und dann in Euro umzurechnen (§ 3 DDR-EErfG). Das hätte zu einer Halbierung der festgesetzten Entschädigung geführt. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Entschädigungshöhe für richtig berechnet und lehnte darum die Durchführung der Revision ab. Auf die beim Eigentumsschutz aus Völkerrecht sonst für die Entschädigungshöhe maßgebliche „Hull-Formel“ stellte es nicht ab.
Ebenfalls näher geklärt hat das Bundesverwaltungsgericht Fragen der BvS dazu, wer zahlungsverpflichtet ist. Es komme nach dem DDR-EErfG nicht darauf an, welcher Teil der öffentlichen Hand 1990 einzelne enteignete Grundstücke erhalten habe, sondern darauf, wer das damals enteignete Unternehmen, hier einen laufenden Volkseigenen Betrieb, erhalten habe. Das sei hier die BvS (unter ihrem damaligen Namen Treuhandanstalt) gewesen.